Naturschutzkonzept

Naturschutzkonzept für die Projektflächen (Oasen) der Stiftung Natur Zuerst

1. Bestandteile

Das Naturschutzkonzept der Stiftung Natur Zuerst setzt sich zusammen aus
– einem allgemeinen Naturschutzkonzept, das im Folgenden beschrieben ist, und
– einem Naturschutzkonzept für jede einzelne Oase.

Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass die Oasen räumlich weit getrennt liegen und sehr unterschiedlich beschaffen sind. Auch die Anforderungen und Möglichkeiten für den Naturschutz sind pro Oase unterschiedlich, somit auch die Zielsetzungen und Maßnahmen, die für jede Oase separat formuliert werden.

2. Grundhaltung

2.1. Die Natur kommt zuerst

Der Mensch hat sich die Flächen der Erde immer mehr angeeignet und ist noch dabei, sich diese weiter anzueignen. Das bedeutet, er zieht Nutzen aus der Fläche und gestaltet die Fläche so, dass dieser Nutzen maximiert werden kann. Beispiele sind der Flächenverbrauch durch Bauaktivität, die Abholzung von Wäldern zur Holzgewinnung, die Förderung fossiler Energieträger oder im Grunde jede Umwandlung von Naturland in Kulturland. Mit wachsender Population steigen Flächenverbrauch und Flächenumwandlung stetig an.

Dabei werden Lebensräume für andere Arten der Tier- und Pflanzenwelt immer weiter eingeschränkt oder gehen ganz verloren; die Natur kommt aus dem Gleichgewicht.

Die Oasen der Stiftung sollen dieser Entwicklung unter anderem dadurch begegnen, indem sie – möglichst mit öffentlicher Wirkung – auf einzelnen Projektflächen der Natur den Vorrang gegenüber der menschlichen Nutzung überlassen; damit werden diese Projektflächen zu einer Art Oasen der Natur. Nutzung durch den Menschen soll dabei nicht ausgeschlossen werden, aber sie hat sich unterzuordnen. Das Gelände der einzelnen Oase soll dazu so gestaltet und bewirtschaftet werden, dass die natürlichen Funktionen (Lebensraum, Nahrungsangebot, Förderung der biologischen Vielfalt, Sauerstoffspender, Kohlenstoffspeicher) maximiert werden.

2.2. Jede Oase ist einzig

Bei den räumlich weit auseinander liegenden Projektflächen liegen sehr unterschiedliche Gegebenheiten vor. Diese betreffen etwa die geographische Lage (Meereshöhe, Neigungsprofil, geographische Breite), die meteorologischen Bedingungen (Niederschlag und dessen Verteilung, Temperaturverlauf, Sonnenstrahlung), die Bodenbeschaffenheit und andere Besonderheiten des Geländes (z.B. Gewässer, Überflutungen, Höhlen, Steilhang) oder die örtlich aktuell vorherrschende Flora und Fauna einschließlich Schädlingsaufkommen. Hinzu kommen menschengemachte Randbedingungen wie Wege, Straßen oder Stromleitungen, die besondere Anforderungen (Verkehrssicherungspflicht) mit sich bringen. Die Zugänglichkeit und Infrastruktur (Innenwege, Rückewege, Pfade, Wasservorkommen) wird erfasst.

Aufgrund dieser Individualität der Oasen beschränkt sich dieser allgemeine Teil des Naturschutzkonzepts auf die Formulierung der übergreifenden Ziele, Denkweisen und Richtlinien, während das individuelle Konzept für jede einzelne Oase auf die jeweiligen Gegebenheiten zugeschnitten ist und konkrete Naturschutzziele und -maßnahmen für dieses Projekt formuliert.

3. Allgemeine Zielsetzungen

Die vorrangige Widmung von Flächen “für die Natur” umfasst insbesondere die folgenden Gesichtspunkte.

3.1. Artenschutz

Bedrohte Tier- und Pflanzenarten, aber auch lokal selten gewordene Arten sollen gefördert werden. Dies gilt umso mehr, wenn erfolgte menschliche Eingriffe in die Landschaft der Grund dafür sind, dass diese Arten bedroht oder selten geworden sind. In biologisch begründeten Fällen kann es auch sinnvoll sein, einer bedrohten oder selten gewordenen Art an neuem Ort ein Habitat zu schaffen.

3.2. Biologische Vielfalt

Der Begriff der biologischen Vielfalt geht über den Artenschutz hinaus, da er auch genetische Diversität innerhalb einer Art umfasst und da er sich auch mit ganzen Systemen von Arten innerhalb eines Lebensraums befasst. Biologische Vielfalt soll nach Möglichkeit gefördert werden, da sie der Gesunderhaltung von Flora und Fauna dient.

3.3. Zukunftsfähigkeit von Wald

Der Klimawandel führt bereits jetzt dazu, dass die geographischen Lebensoptima für viele Arten sich verschieben, und der Prozess wird sich absehbar fortsetzen. Ein Wandel der jeweils örtlichen Flora und Fauna ist zwangsläufig und findet bereits fortlaufend statt. Der Prozess findet nicht reibungslos und schleichend statt, sondern führt etwa dazu, dass Waldbestände biologisch und physikalisch labil werden, schädlings- und sturmanfällig. Beispiele im Wald sind die Massenvermehrung des Borkenkäfers, das Eschentriebsterben und andere gehäuft auftretende Baumkrankheiten. Augenfälligste Folge sind die großen Kahlflächen von ehemaligen Fichtenbeständen nach Schädlingsbefall oder Sturmereignissen. Der Wald kann seine wichtigen natürlichen Funktionen als Sauerstoffspender, Kohlenstoffspeicher und Lebensraum immer weniger erfüllen. Dem soll durch Aufbau bzw. Umbau von Wald zu einem zukunftsfähigen und habitatreichen Wald begegnet werden. Es geht um die Auswahl geeigneter Baumarten, Totholzvorkommen, Strukturreichtum und Anpassung der menschlichen Nutzung.

3.4. Flora und Fauna

Eine Vielfalt von Flora und Fauna benötigt eine Vielfalt von Lebensräumen. Diese wiederum entsteht durch eine Vielfalt von Strukturen in der belebten Landschaft. Ein Beispiel für minimal strukturierte Landschaft sind große zusammenhängende Ackerflächen ohne Dauerbewuchs, womöglich in Monokultur bewirtschaftet; ein anderes Beispiel ist ein ausschließlicher Fichtenwald ohne Unterwuchs, womöglich aus gleich alten Bäumen bestehend. Gefördert werden soll strukturreiche Landschaft und strukturreicher Bewuchs; im Wald gehören hierzu Altbäume und Habitatbäume, Totholz, Waldränder und Lichtungen, eine Mischung unterschiedlicher Baumarten, langfristig auch eine Altersstaffelung der Bäume. Auf Grünland können Strukturreichtum und Lebensräume etwa durch Agroforst-Systeme gefördert werden. Künstliche Habitate (Nisthilfen) können als Ergänzung helfen.

Je nach den örtlichen Gegebenheiten der einzelnen Oase kann es sich anbieten, für die Förderung spezieller Arten (beispielsweise Steinkauz, Wiedehopf, Wildkatze, Biber) zusätzlich spezielle Einzelmaßnahmen zu ergreifen.

3.5. Menschliche Nutzung

Die Widmung einer Fläche für die Natur wird in vielen Fällen die menschliche Nutzung (Gewinnung von Holz, Gras und Heu, Feldfrüchten, Freizeitaktivität) umständlicher oder weniger ertragreich machen oder im Extremfall ganz ausschließen. Es ist jedoch nicht primäres Ziel, auf solche Nutzung ganz zu verzichten. Im Beispiel Agroforst ist die Kombination aus naturförderlicher Gestaltung und (möglichst naturverträglich vorgenommener) menschlicher Nutzung erklärtes Ziel, und die Flächen sollen durch pachtende Landwirte weiter bewirtschaftet werden. Auch Wald kann “bewirtschaftet” werden, wobei finanzielles Interesse hier keine Rolle spielen soll; zu denken ist an Nutzung von “Käferholz” als Brennholz oder auch an die Vermarktung von Holz im Anschluss an eine biologisch begründete Durchforstung. Eine Nutzung für naturpädagogische oder wissenschaftliche Zwecke ist stets eingeplant.

3.6. Beobachtung, Monitoring, Begleitforschung

Die unmittelbare Wirkung der Oasen auf die Natur des Planeten ist äußerst begrenzt, alleine wegen der Geringfügigkeit der Flächen. Die Oasen können jedoch aufgrund ihres Modellcharakters bedeutend werden. Sie bieten die räumliche und materielle Grundlage, um natürliche Vorgänge zu beobachten, strukturiert zu überwachen und sie für den Wissenszuwachs zu nutzen. Auch geplante Naturexperimente sind zu diesem Zweck erwünscht. Die Stiftung soll damit in Kooperation mit Forschungseinrichtungen auch auf einen Beitrag für die Wissenschaft leisten. Mögliche Forschungsfragen betreffen den Naturschutz und seine naturwissenschaftlichen Grundlagen.

3.7. Pädagogik und Öffentlichkeitsarbeit

Ein weiteres wesentliches Anliegen ist es, bei einer breiten Öffentlichkeit, besondes auch bei Kindern und Heranwachsenden, den persönlichen Bezug zu den natürlichen Vorgängen in der Tier- und Pflanzenwelt zu fördern. Rücksicht, Wertschätzung und Verzichtbereitschaft gegenüber der Natur sollen gefördert werden; sie beginnen mit dem persönlichen Bezug zur Natur und mit dem Verständnis von natürlichen Prozessen und gipfeln im besten Fall in einer Verzichtsleistung zugunsten der Natur. Daher soll im Rahmen der Oasen, nach Möglichkeit vor Ort, Information über die jeweiligen örtlichen Naturgegebenheiten und die naturschützerischen Ziele und Maßnahmen vermittelt werden. Angedacht sind Kooperationen mit Schulen und mit Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Einzelveranstaltungen vor Ort, Internetpräsenz und sonstige öffentliche Darstellungen der Projekte.

4. Erstellung des Naturschutzkonzepts für die einzelne Oase

Das konkrete Naturschutzkonzept wird gesondert für jede einzelne Oase erstellt. Das Vorgehen ist dabei wie folgt.

4.1. Umfassende Analyse

Zunächst sollen die örtlichen Gegebenheiten unter verschiedenen Aspekten, wie unter 2.2. kurz aufgezählt, möglichst vollständig als Ist-Zustand erfasst werden. Neben den geographischen und metorologischen Maßen werden dabei auch die für den Naturschutz relevanten Fakten zur bestehenden Flora und Fauna erfasst. Es soll ein Gesamtbild des aktuell bestehenden physikalischen und ökologischen Systems der Oase entstehen.

4.2. Entwicklungsziele und Zukunftsmodell

Von diesem Ist-Zustand ausgehend, werden zunächst günstige und ungünstige Merkmale des Systems sowie schädliche Einflüsse und potentielle Gefährdungen für Flora und Fauna festgestellt. Anhand dieser Einschätzung werden Möglichkeiten der naturförderlichen Umgestaltung bzw. Entwicklung formuliert, gefolgt von Entwicklungszielen für die Oase und einem Modell des Systems im Zielzustand.

4.3. Grundkonzepte

In Abhängigkeit von der Beschaffenheit der einzelnen Oase lassen sich die einzelnen Maßnahmen einem der folgenden Bereiche zuordnen:

  • Waldumbau: Forstliche Maßnahmen zur Entwicklung des Waldbestands nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen hin zu einem klimatoleranten, ökologisch wertvollen Mischwald
  • Wiederaufforstung: Erneute Aufforstung von forstlichen Schadflächen, im Extremfall Kahlflächen, nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen zu einem klimatoleranten, ökologisch wertvollen Mischwald
  • Totholzkonzept: Totholz verbleibt (sofern möglich) weitgehend auf der Fläche und wird damit zu Lebensraum und Nährstoffquelle
  • Agroforst: Ökologische Aufwertung von landwirtschaftlich genutzten Acker- oder Wiesengrundstücken durch Einbringung von Gehölzstrukturen, den wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Agroforstwirtschaft folgend
  • Ökologische Aufwertung: Zusätzliche Maßnahmen zur Entwicklung von Habitaten und zur Förderung der Biodiversität auf stabilen Bestandsflächen (z.B. Nistkästen, Insektenweide, Amphibienbiotope)

4.4. Kooperationen

Eine mögliche Zusammenarbeit mit Ansprechpartnern vor Ort und lokalen Gruppen von Naturschutzverbänden und anderen interessierten Personengruppen vor Ort wird grundsätzlich angestrebt. Die Kooperation wird auch initiativ gesucht.

Bei Waldgrundstücken wird das Vorgehen mit dem örtlichen Revierförster abgesprochen.

4.5. Maßnahmenplanung

Anhand der Entwicklungsziele werden in Zusammenarbeit mit Forstwissenschaft, Forstwirtschaft und pachtenden Landwirten für jede einzelne Oase konkrete Maßnahmen geplant, die zum Erreichen dieser Ziele geeignet sind. Unter Berücksichtigung der finanziellen und personellen Rahmenbedingungen wird ein Plan für Umfang und Zeitablauf dieser Maßnahmen erstellt. Parallel hierzu werden für das Projekt beabsichtigte Forschungsfragen und mögliche Maßnahmen der Pädagogik und Öffentlichkeitsarbeit zusammengestellt.